Dienstag, 28. Oktober 2014

Offener Brief an den Innenminister Jäger, NRW, zu HoGeSa. "Herr Innenminister, ich hatte Angst"

Lieber IM Jäger,

als ich den Aufruf zur Demo HoGeSa (angemeldet durch den stellv. Vorsitzenden Landesvorstand von Pro NRW der vorher auch Versammlungsleiter war aber von seiner Partei genötigt wurde, dies zu unterlassen) sah, war mir klar, dass ich dort hinfahren werde und an der Gegendemonstration teilnehmen werde. Gegen Nazis. Immer und Überall. Mehr dazu: 

Am Sonntagmorgen fuhre ich gegen 12:30 Uhr mit Daniel Düngel / @rwolupo nach Köln. Schon am Bahnhof Oberhausen trafen wir eine Gruppe von ca. 50 oder mehr Hooligans und NeoNazis (im weiteren einfach nur Nazis). Ich fühlte mich von der großen Gruppe Menschen, die bereits am frühen morgen betrunken ist und laut merkwürdige Parolen gröhlt, bedroht. 

Schon vor einigen Tagen wurde bekannt, dass weit mehr als 1000 Leute auf Facebook der Veranstaltung zugesagt haben. Wieso wird nicht gehandelt? (Der Polizeieinsatzleiter sagt gerade in der Pressekonferenz, dass sogar mit 4000 Hooligans gerechnet wurde)
Städte mit vielen Hooligans und Nazis sollten meiner Meinung nach bei der Polizei bekannt sein. Und genau da hätte bereits Polizei vor Ort sein müssen. 
Im Bahnhof Oberhausen hätte Polizei stehen müssen. Sie hätten in den Zug steigen müssen und die Gruppe begleiten müssen.

In Duisburg ist eine riesen Gruppe von mehr als 100 Hooligans und Nazis in den Zug dazugestiegen. Viele Menschen haben sich in den ersten Zugteil gequetscht, um nicht mit den laut gröhlenden Hools in einem Wagon sitzen zu müssen. Aber again: Wo war die Polizei? 

In Düsseldorf ist ebenfalls eine sehr große Gruppe dazu gestiegen. Und wieder: Wo war die Polizei?

Ich hatte ja noch ein wenig die Hoffnung, dass in Köln Messe Deutz ein paar Polizisten dazu steigen. Ich sollte einfach aufhören zu hoffen.

In Köln habe ich direkt aus den Fenstern geschaut um zu sehen wie das am Bahnsteig aussieht. Ich habe zwei Gruppen von ungefähr 10 Polizisten gesehen. An zwei verschiedenen Stellen. 

Wir stiegen vorne aus und blieben auf Abstand zu den Treppen. Der Zug erbrach Hunderte Hooligans und Nazis und es hörte nicht auf. Sie riefen rechte Parolen und waren vermummt. Sagen wir mal so: Hätten sie uns verprügeln wollen, auch normale Reisende, wäre ihnen das ohne große Anstrengung gelungen. 
Ich hatte Angst. Sie waren laut und waren betrunken.

Als nächstes sind Daniel / @rwolupo und ich zu den letzten Gleisen 10/11 gegangen, wo man den Breslauer Platz gut sehen konnte. Bereits diese Anzahl an Hooligans und Nazis waren sehr erschreckend und beängsigend. 
Die Hooligans und Nazis waren mit Flatterband "eingekesselt".
Letzte Woche, als ich in Wuppertal war, waren 40 Nazis mit Hamburger Gittern eingezäunt. Die Gegendemo war auch nicht besonders riesig. 
Wieso waren die Nazis und Hooligans nicht so eingezäunt? 

Als wir duch den Bahnhof zurück gingen, liefen im Tunnel vereinzelt Hooligans und Nazis in Gruppen rum. Besonders viel Polizei war weder oben vom Bahnsteig zu sehen, noch im Tunnel.

Am Dom angekommen war nicht so viel los wie auf der anderen Seite. Noch währen wir uns ein wenig orientierten stürmten plötzlich Antifaschisten zum Haupteingang. Einer größeren Gruppe Hooligans und Nazis war es gelungen bis zu den Türen zu kommen. Die Polizei war ziemlich überrascht und eilte zur Tür. Aus meiner Beobachtung aus glaube ich, kam es zu keinem direkten Kontakt beider Gruppen. Laute Antifa-Rufe gab es. 

Die Polizei schloss erst darauf hin alle Türen des Haupteinganges bis auf zwei Türen rechts und links und stellte vor die geschlossenen Türen Hamburger Gitter auf.

Aber ich hatte Angst.
Die Hooligans waren in Stimmung. Gewaltiger Stimmung es krachen zu lassen. 
Die wenige Polizei konnte doch nicht überall sein, um uns vor ihnen zu Beschützen? Auf den Bahnhofsvorplatz kommt man ja immerhin nicht nur von einer Seite.

Die Hooligans und Nazis haben darauf hin noch mindestens zwei mal versucht zu uns vorzudringen. 

Als es auf Twitter hieß, die Demo der Hooligans und Nazis würde bald losziehen, sind Daniel / @rwolupo und ich wieder zum letzten Gleis hin. Und das was ich dort sah verschlug mir endgültig die Sprache.
Dort unten standen 2500-3000 Nazis und Hooligans, vielleicht auch mehr, vereint. Man sah Deutschlandfahnen. 
Noch immer waren sie nur mit Flatterband umzäunt. 

Herr Jäger, bei jedem Fußballspiel sind mehr Polizisten im Einsatz. Und wieso kommt man auf die Idee, bei einer solchen Demonstration Flatterband zu benutzen? Stellen Sie sich mal vor, die Hooligans und Nazis wäre plötzlich einfach los gelaufen... Durch den Bahnhof marschiert geradewegs auf uns zu? Durch Reisende, Antifas, aber auch ältere Menschen, Mütter mit Kindern.

Herr Jäger, wieso konnte sowas MITTEN in Köln zu gelassen werden? 
Sie sollten es besser wissen, dass Hooligans nicht irgendwo hinkommen und seelenruihg durch die Straße laufen und Konfetti und Glitzer werfen. 

Nachdem die Nazis und Hooligans losgezogen waren, sollten auch wir losziehen. Jemand sagte durch ein Megafon, dass wir dort in Seh- und Hörweite der Hooligans und Nazis kommen sollten. 
Das machte noch mehr Angst. Würden sie uns sehen oder gar hören, sie würden wahrscheinlich los stürmen.
Nach und nach kam die Meldung über Twitter rein, dass die Nazis und Hooligans eskalierten und Anwohner und Journalisten angriffen.
Als wir laut los zogen sei die Veranstalung beendet worden und einzelne Gruppen zogen durch Köln.
Wir entfernten uns vom Bahnhof und der Demo.
Sie hätten in jeder Gasse lauern und uns angreifen können.

Natürlich, Herr Innenminister, ich hätte die Veranstaltung verlassen können. Aber soll ich tatsächlich meine Gruppe alleine lassen? All die Gegendemonstranten? Ich hätte mich schlecht gefühlt. Fürchterlich schlecht. Freunde lässt man nicht im Stich. Ich bin überzeugt davon, dass es Menschen mit normalen Verstand braucht, die sich diesen menschenverachtenden Gruppe in den Weg stellt. 

Plötzlich standen wir an einem Platz mitten in Köln. Die Versammlung wurde aufgelöst, kurze Zeit später fuhren die ersten Polizeiwagen weg.
Eine große Gruppe ging zum AZ.  Wir wollten zum Bahnhof. Nach Hause reisen. 

Auf Twitter lasen wir, dass vereinzelte Gruppen Nazi und Hooligansgruppen wieder am Breslauer Platz waren. Wasserwerfer wurden eingesetzt. 

Wir setzten uns in die U-Bahn. Nervös dem entgegen denken, was uns gleich erwarten würde. Wir dachten die Chance sei hoch noch Züge ohne Hooligans und Nazis zu erwischen. 

Der Bahnhof war inzwischen von einer Seite abgesperrt. Türen dicht. 
Im Bahnhof liefen überall Nazis und Hooligans rum - in nicht gerade friedlicher Stimmung.
Ich hatte Angst mit Nazis und Hooligans einen Zug zu teilen, ich hatte Angst, denn sie waren schon lange nicht mehr friedlich.

Wir erwischten einen Zug ohne Nazis und Hooligans und verließen bedrückt, erschöpft, angeekelt und fassungslos Köln.

Herr Innenminister, übrig bleiben nun tausende von Fragen:
Wieso war keine Polizei in Zügen?
Wieso war so wenig Polizei an den Gleisen?
Wieso war bei dem gesamten Einsatz so wenig Polizei?
Wieso wurde die Versammlung nicht bereits beendet, als es Hitlergrüße, Stein- und Böllerwürfe sowie Vermmumung gab? (Bei letzteren werden weit aus kleiner Antifa-Demos dazu aufgerufen Vermummungen zu unterlassen und mit Versammlungsauflösung gedroht. Wieso hier nicht?)

Wie können Sie nur davon reden, dass dieses Polizeikonzept aufgegangen ist? 
Es wurden Schlagstöcke sowie Pfefferspray benutzt, so auch die Wasserwerfer, zudem ein Polizeiwagen umgeschmissen.
Herr Jäger, ein gelungenes Polizeikonzept sieht für mich anders aus.
Ich begrüße es sehr, dass sie versuchen weniger Polizei einzusetzen, auch im Stadion, aber hier war das ein großer Fehler. Wie kommt man auf so eine bescheuerte Idee?
Was hätte denn noch passieren sollen? 
Wann wäre es kein gelungens Polizeikonzept gewesen? 
Braucht es dafür noch höheren materiellen schaden? Mehr Verletzte? Vielleicht sogar Tote?

Lieber Herr Innenminister, es darf nicht sein, dass man Angst hat, wenn man gegen Nazis und Hooligans demonstriert. Es darf nicht sein, dass man sich allein wegen der Gruppe einschüchtern lässt.
Trotz dieser Angst, werde ich dem braunen Mob auch in Berlin und Hamburg entgegen treten und überallanders. Immer wieder. Irgendjemand muss was tun. Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. 
Was werden Sie gegen diesen braunen Mob tun?
Ich hoffe, dass Berlin und Hamburg besser mit der Situation umgehen. 

Überdenken Sie ihre Worte und gestehen Sie sich endlich mal Fehler ein. Verdammt noch mal.


Mit freundlichen Grüßen,
Sandra

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